Weimar erneuerbar - Teil 1
Die Energiewende ist eine zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Sie bezeichnet den Übergang von der nicht-nachhaltigen Nutzung fossiler Rohstoffe und Kernkraft hin zur Energiegewinnung aus Erneuerbaren Energien. Mit Bioenergie, Photovoltaik und anderen Energiegewinnungsformen soll der Bedarf an Strom, Wärme und Mobilität gesichert werden. Aufgrund der Erderwärmung steht dabei auch die Einsparung von Kohlenstoffdioxid im Zentrum der notwendigen Veränderungen. Mit einer mehrteiligen Serie will der Rathauskurier die Potenziale für die Stadt Weimar aufzeigen. Ein Überblick über das Thema:
Ob PV-Anlagen auf der Weimarhalle, wasserstoffbetriebene Busse der Stadtwerke oder die deutliche CO2-Reduzierung von öffentlichen Gebäuden: Die Stadtverwaltung Weimar, ihre Eigenbetriebe und die städtischen Gesellschaften wie die Stadtwerke haben längst begonnen, ihre Potenziale bei der Nutzung Erneuerbarer Energien zu erkennen und auszubauen. Die Abhängigkeit vom Import fossiler Energieträger zu reduzieren und die Gefahren der Kernenergie zu minimieren, motivieren auch viele Bürgerinnen und Bürger in Stadt um Umland zum Nach- und Umdenken. Das zeigt sich etwa beim Engagement in Energiegenossenschaften. Der Umstieg auf Erneuerbare Energien ist allerdings nur ein Teil des Erfolgs. Auch die Steigerung der Energieeffizienz und die Minderung des Energieverbrauchs sowie die Kompensation der Kohlenstoffdioxid-Produktion durch Aufforstung oder Schaffung von innerstädtischen Grünflächen sind wichtige Faktoren.
Transformationsprozess bietet große Chancen
Die Energiewende findet auch in Weimar, seinen Stadt- und Ortsteilen statt. Es geht bei aller Diskussion und Kritik – beispielsweise an den Kosten der Energiewende und deren Verteilungsgerechtigkeit – letztlich um die langfristige Sicherung unserer Lebensqualität in der Stadt. Weimar verfügt über gute Ausgangsbedingungen: Die Hälfte des Stadtgebiets wird statistisch gesehen landwirtschaftlich genutzt, Siedlung und Verkehr nehmen etwa ein Viertel der Fläche ein, weitere 20 % entfallen auf Waldfläche. Damit verfügt das Stadtgebiet schon über wichtige natürliche Kohlenstoffsenker wie Böden und Wälder und eine günstige Ausgangssituation. Auch der Versieglungsgrad liegt weit unter dem Bundesdurchschnitt von Kommunen.
Für Weimar bieten sich durch die Transformation hin zur Klimaneutralität enorme Chancen. Wärme, Strom und Mobilität können hier in einer intelligenten Sektorkopplung zusammengedacht werden. „Wir wollen die kommunalen Handlungsmöglichkeiten in diesem Umwälzungsprozess kreativ und innovativ ausschöpfen“, unterstreicht Oberbürgermeister Peter Kleine. „Wenn wir die Energiewende so gestalten, dass sie nicht gegen, sondern mit der Bevölkerung vorangetrieben wird, haben alle die Möglichkeit, davon zu profitieren. Wichtig ist, dass wir nicht einzelne Maßnahmen isoliert betrachten, sondern das Optimum im Großen und Ganzen suchen. So kann auch das Klimaschutzkonzept als Handlungsempfehlung nur im Verbund mit anderen Faktoren wie Verkehr oder Wirtschaft als sinnvoller Leitfaden funktionieren.“
Gebäude wichtiger Schlüssel für Ressourceneffizienz
Ein zentraler Hebel für die Energiewende in Weimar sind die städtischen Gebäude. Durch den sparsamen Umgang mit Ressourcen konnten hier durch eine engmaschige Regelung, Überwachung und Wartung der Anlagentechnik bereit deutliche Effizienzgewinne erzielt werden. Der Wärmeverbrauch der städtischen Gebäude konnte seit 2019 um 27% gesenkt werden. Außerdem wird zu allen größeren Bau- und Sanierungsmaßnahmen ein Energiekonzept erstellt. Um die Potenziale noch besser zur Geltung zu bringen, soll künftig eine kommunale Wärmeplanung und – perspektivisch – der Aufbau von geeigneten Wärmenetzen helfen, die Klimaziele schneller und großflächiger zu erreichen.
Auch der verstärkten Nutzung von PV-Anlagen an Gebäuden – etwa den zahlreichen großflächigen Schulgebäuden – kommt eine große Bedeutung zu. Nach einer überschlägigen Einschätzung auf Basis des „Solarrechners Thüringen“ kann allein auf den Dachflächen der Geschosswohnungsbauten in Weimar jährlich Photovoltaik-Energie für 2.750 Vier-Personen-Haushalte pro Jahr gewonnen werden. Die Weimarer Wohnstätte als größtes Wohnungsunternehmen der Stadt hat bereits alle Flachdächer ihrer Häuser auf die Eignung für PV-Anlagen geprüft und beginnt 2023 schrittweise mit der Ausrüstung.
Stadtwerke und Stadtwirtschaft mit im Boot
„Der Klimaschutz wird Gebäudebestand wirksam und sozial umgesetzt. Die Fortschritte müssen realen Möglichkeiten der Umsetzung angepasst werden. Mit immer neuen gesetzlichen Vorgaben ist noch keine neue Anlage tatsächlich gebaut“, betont Oberbürgermeister Kleine. Die Stadtwerke und Stadtwirtschaft sind in die Planung und Umsetzung notwendiger Maßnahmen in allen drei Sektoren involviert. Die Optionen von vor Ort erzeugter Energie aus Solar, Biogas, Windkraft oder Geothermie werden ausgelotet.
Erst konkrete Erfolge bei der stärkeren Nutzung und Förderung erneuerbarer Energien für Stadt, Stadtverwaltung und städtische Unternehmen sind zu sehen. Nennenswert Solarstrom wird auf den Dächern des Betriebshofs der Stadt Weimar in der Schwanseestraße 100 oder auf den Hallen der Stadtwerke in der Industriestraße produziert. Der konsequente Ausbau der PV-Anlagen auf kommunalen Dachflächen wie denen von Schulen, Kitas, Sporthallen oder Gebäude der Wohnungsgenossenschaften geht weiter.
Aktuell erfolgt die Prüfung für die Freigabe von weiteren kommunalen Dachflächen zur Nutzung durch PV-Anlagen zur Eigenstromversorgung oder Stadtnetzeinspeisung. Eine Großanlage auf der Weimarhalle befindet sich im Aufbau.
Dekarbonisierung soll für weniger Kohlendioxid sorgen
In Anbetracht der hohen Zahl von Gas- und teilweise auch Öl-Heizungen sowie einer auf Gasturbinen basierender Fernwärme in der Stadt wird eine kommunale Wärmeplanung zur Dekarbonisierung in den Vordergrund stellen. Das Konzept zur kohlenstofffreien Fernwärmeversorgung bis 2040 soll Ende 2023 vorliegen. Konkrete Projekte zur klimaneutralen Wärmeversorgung werden vorangetrieben, so ist ein Blockheizkraftwerk an der Kläranlage in Tiefurt geplant. Ein Transformationsplan für effiziente Wärmenetze zum Aufbau eines Fernwärmenetzes wird erstellt.
Auch in Sachen Energieeffizienz geht es weiter. Aktuell steht die umfassende Analyse der energetischen Situation in einigen Quartieren im Vordergrund, um blinden Aktionismus zu begrenzen. Die KfW fördert im Rahmen des Zuschussprogramms 432 die Kosten für die Erstellung eines integrierten energetischen Quartierskonzepts. Der Wärmeverbrauch der Verwaltungsgebäude sinkt kontinuierlich (siehe Grafik).
ÖPNV mit Wasserstoff
Der klimaneutrale Umbau des ÖPNV geht voran und ist die Basis einer funktionierenden Verkehrswende in Weimar. Die Stadtwirtschaft ist mit der sukzessiven Umstellung der Fahrzeugflotte auf Wasserstoff und anderer erneuerbarer Kraftstoffe für diese Herausforderung gut aufgestellt. Noch in diesem Jahr nehmen die ersten drei wasserstoffbetriebenen Busse ihren Betrieb auf. Im April erfolgt der Spatenstich für die Errichtung einer Wasserstoff-Tankstelle, die ab Herbst den Betrieb aufnehmen soll. Hier muss die Verwaltung schnell für die notwendigen Genehmigungen sorgen. Die dauerhafte Sicherstellung der Versorgung mit grünem Wasserstoff auch bei steigender Nachfrage versteht Oberbürgermeister Kleine als Aufgabe und gleichzeitig als große Chance – auch hinsichtlich der momentan für die Technologieförderung noch bereitstehenden Nutzung von Fördertöpfen.
Die enge Zusammenarbeit mit der Stadtwirtschaft zeigt auch bei der CO2-Kompensation. So können sich beispielsweise Bürgerinnen und Bürger auf der Marienhöhe an dem, mit klimaresilienten Bäumen aufgeforstete „StadtWerkeWald“ erfreuen. 2200 Bäume auf 2 Hektar kompensieren 10 Tonnen CO2 jährlich. Auf dem Gebiet der Stadt Weimar befinden sich etwa 28.000 Bäume in städtischen Grünanlagen und auf Friedhöfen sowie an Straßen, in Sportanlagen und auf den Außenanlagen von Kindertagesstätten und Schulen. Für Baumpflanzungen und Baumerhalt stehen im Jahr 2023 rund eine halbe Million Euro zur Verfügung.
Wer als Bürgerin oder Bürger für das Stadtgrün sorgen möchte, kann dies übrigens auch mit einer Spende an das Patenschaftsprogramm „Mein Stadtbaum“ tun und damit die Pflege und Bepflanzung von Baumscheiben unterstützen, die die Vitalität unserer Stadtbäume erhöht und so das Stadtbild aufwerten. Die Baumpflanzungen der durch Spenden generierten Mittel wird im Herbst erfolgen.
In den nächsten Ausgaben des Rathauskuriers werden wir uns mit den einzelnen Sektoren der Energiewende beschäftigen und beispielhafte Projekte vorstellen:
Ausgabe Juni (21.6.) Stadtgrün
Ausgabe Juli (26.7.) Regenerative Energieerzeugung
Ausgabe Oktober (4.10.) Mobilität
Ausgabe November (15.11.) Wasser
Ausgabe Dezember (20.12.) Energie / Dekarbonisierung