Am Sonntag, dem 7. Mai 1989 fanden die letzten „Wahlen“ vor der friedlichen Revolution in der DDR statt. Erstmals hatten sich Weimarer Bürger zusammengetan, um die Stimmenauszählung in den verschiedenen Wahllokalen systematisch zu beobachten und mit den danach offiziell veröffentlichten Zahlen zu vergleichen. Im Rathaus befand sich das Sonderwahllokal, in dem man schon vor dem Wahltag seine Stimme abgeben konnte, wovon reichlich Gebrauch gemacht wurde. Den Wahlbeobachtern war jedoch gerade hier, wo besonders viele Stimmen auszuzählen waren, von hochrangigen Rathaus-Mitarbeitern der Zutritt zur Auszählung verwehrt worden – ein eindeutiger Verstoß selbst gegen das Wahlgesetz der DDR! Obwohl dadurch wichtige Zahlen fehlten, konnten die etwa 50 unabhängigen Wahlbeobachter dennoch für Weimar die Fälschung der Ergebnisse nachweisen. Die Beobachtung und Entlarvung der Wahlen als Betrug im Mai 1989 durch Bürgerrechtler – übrigens in vielen Städten der DDR – kann als Beginn der Herbstrevolution angesehen werden.
Das Rathaus galt auch in Weimar als kommunale Zentrale der Staatsmacht. Der Oberbürgermeister gehörte hier zwar stets der CDU an, doch die „Blockpartei“ war alles andere als eine unabhängige politische Kraft. In Weimar hatte zudem der stellvertretende Oberbürgermeister – immer ein SED-Mann – eine besondere Rolle: Er war es, der die Durchsetzung der SED-Parteilinie auf kommunalpolitischem Gebiet gewährleistete.
Text: Axel Stefek, Stadtarchiv Weimar