Aktuell

Ehrenbürgerschaften für Buchenwald-Überlebende: Festakt zur Übergabe der Ehrenbürgerurkunden

Stadtratsvorsitzende Bärbel Fiedler und Oberbürgermeister Peter Kleine mit David Laszlo MandelStadtratsvorsitzende Bärbel Fiedler und Oberbürgermeister Peter Kleine mit David Laszlo MandelStadtratsvorsitzende Bärbel Fiedler und Oberbürgermeister Peter Kleine mit David Laszlo Mandel ©Dominique WollniokStadtratsvorsitzende Bärbel Fiedler und Oberbürgermeister Peter Kleine mit David Laszlo Mandel ©Dominique Wollniok

Die neuen Weimarer Ehrenbürger und Buchenwald-Überlebenden Andrej Iwanowitsch Moiseenko, Vasile Szekely, Michael Urich, Zeev Viktor Borger und David Laszlo Mandel haben am Montag, 15.4.2024, im Seminargebäude der Weimarhalle ihre Ehrenbürgerurkunden persönlich entgegengenommen. Aus den Händen von Oberbürgermeister Peter Kleine und der Stadtratsvorsitzenden Bärbel Fiedler nahm zudem Anat Himmelhoch, Tochter des Buchenwald-Überlebenden Moshe Ludvig Kessler, das Dokument für ihren Vater entgegen, der aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Weimar kommen konnte. Ebenso nicht dabei sein konnten Zahava Szász Stessel, Shraga Milstein, Julius Maslovat, Jacob Lubliner, Arek Hersh, Thomas Geve, Barney Sidler, Sol Lurie, Dita Segal und David Levin, denen die Urkunden per Kurier zugestellt werden. Damit haben seit 2020 insgesamt 31 Buchenwald-Überlebende die Weimarer Ehrenbürgerschaft erhalten.

„Die persönliche Übergabe an jeden Einzelnen ist für mich als Oberbürgermeister Weimars von besonderer Bedeutung. Denn ich möchte damit auch zum Ausdruck bringen, dass es für unsere Stadt eine große Freude ist, dass Sie, die Überlebenden, diese Ehrung auch annehmen“, betonte Oberbürgermeister Peter Kleine. Er erinnerte an die Weimarer Erklärung aus dem Jahr 2007 zwischen dem Stadtrat und den Überlebenden, in der sich die Stadt Weimar dem Vermächtnis von Buchenwald verpflichtet. „Die Stadt Weimar versichert, sich dafür einzusetzen, dass Ihr Vermächtnis zum Kern des demokratischen Selbstverständnisses und der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland gehört und dauerhaft gehören wird. Wir werden nationalsozialistisches Gedankengut, Rassismus und Antisemitismus immer mit aller Kraft bekämpfen."

Der Zeremonie wohnte auch Naftali Fürst, ebenfalls Weimarer Ehrenbürger und Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald, Dora und Kommandos bei. Die neuen Ehrenbürger trugen sich im Anschluss an die Übergabe der Urkunden in das Goldene Buch der Stadt Weimar ein.

Zum Festakt kamen mehrere hundert Gäste aus Politik und Gesellschaft, darunter auch mehrere Klassen der Jenaplanschule Weimar und des Angergymnasiums Jena, die im Anschluss an die Feierstunde in Gesprächsrunden die Überlebenden nach ihren Erfahrungen und Erlebnissen direkt befragen konnten.

Zahava Szász Stessel, geb. am 19. Januar 1930 in Abaújszántó, Ungarn
Zahava Stessel stammt aus der ungarisch-jüdischen Familie Szász. Als die Wehrmacht ihre Heimat im März 1944 besetzte, besuchte sie die Mittelschule. Einen Monat später kam sie mit ihrer Familie in das Ghetto von Košice. Von dort verschleppte sie die SS nach Auschwitz. Zusammen mit ihrer Schwester Erzsebet (Chava) überlebte sie das Vernichtungslager und später das Konzentrationslager Bergen-Belsen (Haftnummer 5420). Von dort aus wird sie Anfang Dezember 1944 in das Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald in Markkleeberg bei Leipzig transportiert, wo sie am 8. Dezember 1944 eintrifft.  Im Zuge der Räumung des Außenlagers wird sie auf einen Todesmarsch getrieben. Ihre Gefangenschaft endet in den Wirren der letzten Kriegstage am 13. April 1945.
Zahava Stessel und ihre Schwester kehrten nach dem Krieg in ihre Heimatstadt zurück. Dort erfuhren sie, dass sie die einzigen Überlebenden aus ihrer Familie waren. Die Schwestern hielt nichts mehr in Ungarn und deshalb entschieden sie 1947 nach Palästina auszuwandern. Zahava Stessel heiratete dort den ungarischen Shoah-Überlebenden Meier Stessel und zusammen emigrierten sie 1957 in die USA.
In den Vereinigten Staaten wurden ihre beiden Töchter geboren. Lange Jahre arbeitete Zahava Stessel als Bibliothekarin in der New York Public Library. Seit den 1990er Jahren forschte sie zur Geschichte der Shoah sowie der ungarischen Jüdinnen und Juden und verfasste schließlich ihre Promotion zu diesen Themen. Oft besucht sie Gedenkstätten und spricht über die Geschichte ihrer Familie. 2008 erhielt sie die Ehrenbürgerwürde der Stadt Markleeberg.


Andrej Iwanowitsch Moiseenko, geb. am 01.05.1926 in Budjonowka/Oblast Tsсhernihiw, Sowjetunion (heutige Ukraine)
Andrej Iwanowitsch Moiseenko kam in der jungen Sowjetunion zur Welt. Das Leben in der Dorfkolchose war für ihn entbehrungsreich. Früh verlor er seine Mutter. Sein Vater fiel 1941 im ersten Kriegsjahr nach dem deutschen Überfall. Bald darauf besetzte die Wehrmacht die Ukraine. Auf der Suche nach Nahrung für seine sieben Geschwister wurde er von deutschen Soldaten aufgegriffen und als Zwangsarbeiter in das Deutsche Reich verschleppt.
Andrej Iwanowitsch Moiseenko kam nach Leipzig und musste dort für die Firma HASAG arbeiten. Im Februar 1944 wurde ihm vorgeworfen, einer Widerstandsgruppe anzugehören. Die Gestapo steckte ihn zunächst in das Leipziger „Ausländergefängnis“ Riebeckstraße. Am 06. April 1944 wurde er in das KZ Buchenwald verbracht, wo er mit der Haftnummer 19852 registriert wurde. Unter lebensfeindlichen Bedingungen leistete er dort bis zum Herbst 1944 Schwerstarbeit im Steinbruch. Anschließend kam er am 03. Mai 1944 in das Außenlager Wansleben – bis zur Befreiung am 14. April 1945 durch die amerikanische Armee.
Im Juli 1945 wurde Andrej Iwanowitsch Moiseenko als Soldat in die Rote Armee eingezogen und leistete seinen Militärdienst in Babrujsk (Belarus) und Minsk ab. Neben der Arbeit in einem Baukombinat und einem Konstruktionsbüro holte er seine Schulbildung nach und studierte. Heute ist Andrej Iwanowitsch Moiseenko in der Geschichtswerkstatt Minsk und im Club der Liebhaber der deutschen Sprache aktiv. Zu den Jahrestagen der Befreiung besucht er die Gedenkstätte Buchenwald.


Vasile Szekely, geb. 28.04.1929 in Cluj-Napoca /Rumänien

Vasile Szekely wurde im Juni 1944 gemeinsam mit seinem sieben Jahre älteren Bruder Emerich in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verbracht.  Von dort wurde er allein, ohne seinen Bruder, am 24.6.1944 in das KZ Buchenwald und am 26.06.1944 in das Außenlager Bochum überstellt. Im KZ Buchenwald wurde er mit der Haftnummer 59588 registriert. Im Zuge der Räumung des Außenlagers Bochum wurde Vasile Szekely im März 1945 in das Stammlager Buchenwald zurücktransportiert, wo er am 11.4.1945 befreit wird. Erst nach seiner Befreiung traf Vasile Szekely mit Hilfe anderer ehemaliger Häftlinge seinen älteren Bruder wieder, der das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz überlebt hatte. 2015 erhielt Vasile Szekely den Nationalen Orden „Serviciul Credincios“ (Für treue Dienste) von Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis.


Moshe Ludvig Kessler, geb. 21.09.1930 in Berehovo (z.Z. Tschechoslowakei)/Beregszász (später Ungarn) > heute Ukraine = Transkarpatien
Moshe Ludvig Kessler wurde am 26. Januar 1945 im Zuge der Räumungstransporte aus dem Konzentrations-und Vernichtungslager Auschwitz in das KZ Buchenwald überstellt und mit der Haftnummer 121207 registriert. Er wurde in Block 66 untergebracht, wo er am 11. April 1945 seine Befreiung erlebte.


Michael Urich, geb. 09.08.1934
Als seine Eltern aus dem Warschauer Ghetto fliehen, versteckt ihn die Mutter bei einer polnischen Familie. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes im August 1944 mit den Pflegeltern nach Buchenwald deportiert. Dort ab Januar 1945 im „Kinderblock 66“ des Kleinen Lagers. In Buchenwald befreit. Als Jüngster wird er im Heim Felsenegg des Schweizer Roten Kreuzes am Zuger See aufgenommen. 1946 Auswanderung nach Palästina. Er lebt in Israel. Autobiografie: Hazi Koos Hamlha (hebr.), 2008.


Zeev (Viktor) Borger, geb. 10.02.1928 in Oświęcim/Polen
Viktor Borger wurde am 10. Februar 1928 in Polen geboren. Er wuchs in einer siebenköpfigen jüdischen Familie auf und überlebte als Einziger den Holocaust. Über verschiedene Stationen gelangte er vom Konzentrationslager Groß-Rosen am 10. Februar 1945 in das KZ Buchenwald. Hier erhielt er die Häftlingsnummer 124664 und lebte im sogenannten Kinderblock 66 im „Kleinen Lager“ mit Hunderten anderen Kindern und Jugendlichen. Anfang April 1945 wurde Viktor Borger mit vielen weiteren Häftlingen auf einen sogenannten Todesmarsch getrieben, den er überlebte. Zum Zeitpunkt der Befreiung war er 17 Jahre alt und entschied sich 1947 nach Israel zu gehen. Er arbeitete als Elektriker und Taxifahrer, heiratete und hat heute zwei Kinder. Heute lebt er in Israel.


David Laszlo Mandel, geb. 03.11.1928 > laut Arolsen-Dokumenten am 30.11.1927, geboren im ungarischen Somoskorod (ht. Somoskőújfalu)

Im April 1944 wurde David Laszlo Mandel in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und nach wenigen Wochen in das Außenlager Fünfteichen (ht. Miłoszyce) überstellt (Außenlager des KZ Groß-Rosen). Von dort kam er zunächst auf einem Todesmarsch in das KZ Groß-Rosen, wo er mit der Haftnummer 42787 bereits zuvor registriert war)
Am 09./10. Januar 1945 wurde David Laszlo Mandel im Zuge des Räumungstransporte aus dem KZ Groß-Rosen in das KZ Buchenwald verbracht, mit der Haftnummer 127816 registriert. Zunächst in Baracke 63 untergebracht, erfolgte etwas später seine Verlegung in Block 66. Am 11. April 1945 erlebte David Laszlo Mandel in Buchenwald seine Befreiung. 

Am 05. Juni 1945 verließ er Buchenwald nach Frankreich (Écouis). Von dort kehrte er kurzzeitig in die Heimat zurück und ging in das DP-Camp Leipheim. Dort traf er amerikanische Soldaten und  arbeitete vier Jahre für das amerikanische Militär (UNRRA) im bayerischen Günzburg. Von dort verließ er 1949 Europa in Richtung Israel.


Jacqueline Fleury, geb. 12.12.1923
Jacqueline Fleury wurde am 21. August 1944 in das KZ Ravensbrück verbracht und später in die Außenlager Torgau (Haftnummer 57595), Abteroda (Haftnummer 31906) und Markkleeberg (Haftnummer 52148) verbracht. Jacqueline Marié wurde in Wiesbaden geboren. 1939 lebte sie mit ihrer Familie in Versailles. Das Treffen zwischen Hitler und Pétain in Montoire am 24. Oktober 1940 war ein Schock für sie und durch einen ihrer Lehrer schloss sie sich der Résistance an und wurde Mitglied der Bewegung „Verteidigung Frankreichs“. Auch ihre Eltern und ihr Bruder engagieren sich in verschiedenen Widerstandsorganisationen. Am 3. Februar 1944 wurden Jacqueline und ihre Eltern verhaftet, ins Gefängnis von Fresnes gebracht und getrennt. Noch getrennt wurden sie am 15. August deportiert, doch Jacqueline fand ihre Mutter in Ravensbrück. Später wurden sie in verschiedene Außenlager verbracht.  Am 13. April 1945 wurden sie in einem langen „Todesmarsch“ in Richtung Theresienstadt getrieben und wahrscheinlich am 9. Mai an der tschechischen Grenze von Soldaten der Sowjetarmee befreit.
Im März 1946 heiratete Jacqueline und wurde Frau Fleury. Nach ihrer Rückkehr engagierte sie sich in Vereinen, die aus dem Widerstand und der Deportation hervorgegangen sind, insbesondere im Widerstands- und Deportationswettbewerb, dessen Gründerin sie war, und gibt regelmäßig Zeugnisse an Mittel- und Oberschulen. Sie trat die Nachfolge ihrer Freundin Geneviève de Gaulle als Präsidentin der Nationalen Vereinigung ehemaliger Deportierter und Internierter des Widerstands (ANADIR) an.


Shraga Milstein, geb. als Feliks Milsztajn am 14.02.1933 (laut Dokumentenangabe der Häftlings-Personal-Karte Jahrgang 1932)
Feliks Milsztajn wird 1933 in der polnischen Stadt Piotrków Trybunalski geboren. Im Oktober 1939 zwingen die deutschen Besatzer die jüdische Familie in ein Ghetto. Die Mutter wird 1944 in das KZ Ravensbrück deportiert; die beiden Brüder und den Vater bringt die SS am 2./3. Dezember 1944 aus dem Lager Plaszow? in das KZ Buchenwald, wo er mit der Haftnummer 87877 registriert wird. Sein Vater stirbt im KZ Buchenwald.

Am 5. Januar 1945 überstellt die SS Feliks Milsztajn zusammen mit anderen Kindern in das KZ Bergen-Belsen. Dort wird er am 15. April 1945 befreit. Später erfährt er, dass seine Mutter ebenfalls nach Bergen-Belsen verschleppt wurde. Sie starb kurz nach der Befreiung, ohne dass sich die beiden noch einmal wiedersahen.
Im Mai 1945 gelingt es dem 12-Jährigen, seinen in Buchenwald zurückgebliebenen 9-jährigen Bruder nach Bergen-Belsen bringen zu lassen. Wenig später kommen die beiden in ein Kinderheim nach Schweden, ehe sie 1948 nach Israel ausreisen. Dort ändert Feliks seinen Namen in Shraga Milstein und wird Lehrer sowie Leiter des Massuah Institute for Holocaust Studies. Seit 2019 ist er Vorsitzender des Beirates der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten.


Izio Rosenman, geboren am 20. Mai 1935

Izio Rosenman, geboren in Dęblin/Demblin, entstammte einer polnisch-jüdischen Familie, die jedoch stark von kommunistischem Ideengut geprägt war. Seine Mutter hieß Hanna und sein Vater hieß Samson. Izio Rosenman hatte zudem zwei Schwestern - Hadessa und Ida. Den ersten Deportationen im Sommer 1942 konnten Izio mit seinen Schwestern entkommen, da wohl ein Zimmermann sie versteckte. Im Sommer 1944 wurde die Familie in das Internierungslager Tschenstochau gebracht. Hier wurde die Familie getrennt. Gemeinsam mit seinem Vater wurde Izio am 17./18.

Januar 1945 in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Im Konzentrationslager Buchenwald  wurde Izio Rosenman als "polnischer Jude" mit der Haftnummer 113138 registriert und im "Kleinen Lager"

untergebracht. Zu einem späteren Zeitpunkt arrangierten politische Mithäftlinge seine Verlegung in den Kinderblock 66.  Während seiner Gefangenschaft hatte Izio wohl nur sporadisch Kontakt zu seinem Vater. Beide erlebten die Befreiung des KZ Buchenwald am 11. April 1945, doch starb Izios Vater Samson wenige Tage nach seiner Befreiung an Typhus.

In Begleitung des französisch-jüdischen Kinderhilfswerks Oeuvre de Secours aux Enfant (OSE) verließ er Anfang Juni 1945 gemeinsam mit anderen überlebenden Kindern das DP-Camp Buchenwald. Die Kinder wurden nach Frankreich, in die Schweiz und nach England gebracht. Izio kam zunächst in das Château d'Écouis in Eure, (einem Waisen- und Kinderheim, welches von der französischen Regierung zur Verfügung gestellt wurde) und durchlief später noch andere Kinderheime. Etliche Kinder trafen später überlebende Familienmitglieder wieder - darunter auch Izio, der seine Mutter Chana und die beiden Schwester Ida und Hadessa Anfang des Jahres 1946 wiedertraf.

Später wählte Izio Rosenman den Beruf eines Physikforschers, den er fast 40 Jahre lang ausübte. Anschließend wurde er Psychoanalytiker und betreute 15 Jahre lang Patienten.


Julius Maslovat, geboren am 10. Mai 1941

Julius Maslovat wurde als Yidele Henechowicz geboren. Seine Familie gehörte zur großen jüdischen Gemeinde in Piotrków Trybunalski (im deutschsprachigen Raum auch bekannt als Petrikau). Nach dem Überfall der Wehrmacht errichteten die Deutschen in der Stadt das erste Ghetto im besetzten Polen. Dort kam Julius Maslovat zur Welt.

In den Konzentrations- und Vernichtungslagern verlor er seine Eltern und viele seiner Verwandten.

Beim Vorrücken der Roten Armee wurde die gesamte Familie von den Deutschen deportiert. Gemeinsam mit seinem Vater Symcha kam Julius Maslovat nach Buchenwald, wo sie am 2. Dezember 1944 eintrafen. Als „polnischer Jude“ mit der Haftnummer 87 874 registriert, wurde Julius Maslovat in Block 58 des „Kleinen Lager“ untergebracht. Anfang Januar überstellte ihn die Lager-SS nach Bergen-Belsen. Seinen Vater Symcha ließ die SS in das KZ Natzweiler verbringen. Julius sah seinen Vater nie wieder. In Bergen-Belsen nahmen zwei weibliche Gefangene, die sich im Lager um Waisenkinder kümmerten, Julius in ihre Obhut. Die britische Armee befreite das Konzentrationslager Bergen-Belsen am 15. April 1945.

Julius Maslovat kam 1945 mit einem Transport des Roten Kreuzes zunächst nach Schweden. Dort adoptierte ihn das jüdisch-finnische Ehepaar Maslovat. Schule und Universität besuchte er in Großbritannien. Im Jahr 1966 emigrierte er nach Kanada. Er engagiert sich seit Jahrzehnten als Zeitzeuge.


Jacob Lubliner, geboren 1935

Jacob „Coby“ Lubliner, wurde 1935 in Łódź in eine polnisch-jüdische Familie geboren. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Polen, floh die Familie aus Łódź nach Piotrków, wo der Bruder des Vaters lebte. Doch auch hier errichteten die Deutschen ein Ghetto. Anfang Dezember des Jahres 1944 deportierte die SS Jacob Lubliner gemeinsam mit seinem Vater in das Konzentrationslager Buchenwald. In Buchenwald wurde Jacob Lubliner als „polnischer Jude“ mit der Haftnummer 87883 registriert und in Block 58 untergebracht. Wenig später – im Januar 1945 – ließ die Lager-SS Jacob Lubliner in das Konzentrationslager Bergen-Belsen transportieren. Hier traf er seine Mutter und auch seine Tante wieder. Am 15. April 1945 erlebten sie die Befreiung des Lagers Bergen-Belsen. Einige Zeit später trafen sie auch den Vater wieder, der das Konzentrationslager Buchenwald und einen Todesmarsch überlebt hatte. Fünfeinhalb Jahre verblieb die Familie noch in Deutschland, bevor sie 1950 in die Vereinigten Staaten emigrierten.

Jacob Lubliner verblieb in den USA, er lebt in El Cerrito, CA und dozierte lange Zeit als Professor für Bauingenieurwesen und Technische Mechanik in Berkely.


Arek Hersh, geboren 1928

Arek Hersh wurde 1928 in Sieradz als viertes von fünf Geschwistern in die polnisch-jüdische Familie HERSCHLIKOWICZ hineingeboren. Unmittelbar nach dem Einmarsch der Wehrmacht floh die Familie nach Łódź. Unter der Besatzungsherrschaft musste sie im Ghetto der Stadt leben. Wenig später wurde die Familie in das Vernichtungslager Chełmno deportiert. Bis auf Areks ältere Schwester wurde die gesamte Familie dort ermordet. Arek Hersh selbst entkam dem Transport, indem er sich bei einer Gruppe von jüdischen Personen versteckte, die die Deutschen für die Zwangsarbeit im Ghetto eingeteilt hatten.

1944 wurde das Ghetto aufgelöst und Arek Hersh nach Auschwitz-Birkenau verbracht. Im Kontext der Räumung des Lagerkomplexes Auschwitz wurde Arek Hersh im Januar 1945 in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Hier registrierte die Lager-SS ihn mit der Haftnummer 119483 und er wurde zunächst in Block 56 des „Kleinen Lager“ untergebracht. Geraume Zeit später wurde er in den „Kinderblock 66“ verlegt. Anfang April 1945, kurz vor der Befreiung, wurde Arek Hersh erneut auf einen Räumungstransport gezwungen und nach Theresienstadt verbracht. Dort erlebte er am 8. Mai 1945 seine Befreiung.

Auf Initiative einer britischen Hilfsorganisation kam Arek Hersh im August 1945 mit einer Gruppe von 300 überlebenden Kindern nach Windermere in Nord-England. Hier fand er heraus, dass auch seine ältere Schwester die Shoah überlebt hatte. Die beiden trafen sich 1947 wieder.

Heute lebt Arek Hersh in HAREWOOD, LEEDS Großbritannien.


Thomas Geve, geboren am 27. Oktober 1929

Thomas Geve wurde in Stettin (im Stadtteil Züllchow (heute Szczecin-Żelechowa) als Stefan Cohn geboren. Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 verlor sein Vater, Erich Cohn, seine Arztpraxis. Die Familie zog daraufhin zunächst nach Beuthen/Oberschlesien, bevor sie im Jahr 1939 nach Berlin umsiedelte.

Während es dem Vater gelang, 1939 nach Großbritannien zu emigrieren, blieben sämtliche Versuche die Familie nachzuholen, erfolglos. Bis 1942 war es Thomas Geve noch möglich, die jüdische Schule zu besuchen. Ab 1942 wurden jedoch alle jüdischen Schulen geschlossen. Nun musste er auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee Zwangsarbeit leisten. 1943 wurde er gemeinsam mit seiner Mutter Bertha in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Bei der Ankunft wurden beide voneinander getrennt, seine Mutter sollte Thomas Geve nie wiedersehen.

In Anbetracht des Heranrückens der Roten Armee räumte die SS im Januar 1945 das Lager Auschwitz. Im Zuge dessen wurde Thomas Geve zunächst in das Konzentrationslager Groß-Rosen und anschließend am 9. / 10. Februar 1945 in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht.

Im Konzentrationslager Buchenwald wurde Thomas Geve als "jüdischer Häftling" mit der Haftnummer 127 158 registriert und im "Kleinen Lager" in Baracke 66, dem Kinderblock von Buchenwald, untergebracht.  Noch während seiner Gefangenschaft im KZ Buchenwald begann er seine Erlebnisse zu zeichnen, darunter auch seine Befreiung am 11. April 1945 durch die U.S. Army.  Im Sommer des Jahres 1945 wurde Thomas Geve in das Kinderheim Zugerberg des Schweizer Roten Kreuzes gebracht. Später fand er seinen Vater wieder, der in London lebte. Thomas Geve zog ebenfalls nach London, studierte Bauingenieurswesen, emigrierte jedoch 1950 nach Israel. Dort arbeitete er nach seinem Wehrdienst als Bauingenieur. Er publizierte Erinnerungen über seine Haftzeit sowie seine Zeichnungen, die auch Gegenstand von Ausstellungen waren.


Barney Sidler 

Barney Sidler wurde ursprünglich als Beniek Ajnszydler 1933 im polnischen Dęblin geboren. Seine Mutter hieß Sura Ajnszydler (geborene Samet), sein Vater hieß Srul Leib Ajnszydler. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen wurde auch in Dęblin ein Ghetto eingerichtet, in welches die Familie ziehen musste.  Barney Sidler, der gerade erst die erste Klasse besuchte, durfte nicht weiter in die Schule gehen. Ab 1941 begann die SS das Ghetto sukzessive aufzulösen, die Bewohner in verschiedene Konzentrations- und Vernichtungslager zu deportieren. Barney Sidler wurde gemeinsam mit seiner Familie 1942 zunächst in ein Arbeitslager am Rande der Stadt verbracht. Hier verblieb die Familie, bis sie (vermutlich Ende des Jahres 1943) in das Zwangsarbeitslager "Warta" bei Częstochowa (Tschenstochau) transportiert wurden, wo sie für den Industriekonzern der Hasag (Hugo-Schneider-Aktiengesellschaft) Zwangsarbeit leisten mussten. Anfang des Jahres 1945 wurde angesichts des Heranrückens der Roten Armee auch das Lager in Częstochowa aufgelöst. Barney Sidler wurde gemeinsam mit seinem Vater Srul und seinem Bruder Aron in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht, wo sie am 18. Januar 1945 ankamen. Barney Sidler wurde mit der Haftnummer 113 032 registriert und zunächst im "Kleinen Lager" untergebracht, bevor er durch die Fürsorge anderer Mithäftlinge in Baracke 66 - dem Kinderblock - untergebracht wurde. Gleichzeit erhielt er 4 Wochen "leichte Lagerarbeit" und wurde dem Invalidenkommando zugeteilt. Während sein Bruder Aron in das KZ Mittelbau-Dora und sein Vater in das Außenlager "Wille" bei Tröglitz/Rehmsdorf verbracht wurden, blieb Barney im Stammlager Buchenwald, wo er am 11. April 1945 die Befreiung des KZ Buchenwald erleben.

Unmittelbar nach seiner Befreiung kehrte Barney Sidler zunächst nach Polen zurück, um seine Mutter und seine Schwester zu suchen. Mutter und Schwester hatten überlebt und auch seinen Bruder Aron konnte Barney Sidler ausfindig machen. Seinen Vater hingegen sollte er nicht wiedersehen. Da das Leben in Polen für jüdische Menschen immer noch stark durch antisemitische Ressentiments geprägt war, verließ die Familie Polen und ging 1946 nach Ulm in ein Lager für Displaced Persons (DP-Camp). Von dort wanderte Barney Sidler 1949 mit Hilfe der Hebrew Immigrant Aid Society in die Vereinigten Staaten, nach Chicago aus. Mutter und Schwester kamen nach. Barney Sidler absolvierte zunächst eine Ausbildung, schlug jedoch später eine Karriere als Versicherungsvertreter ein. Er heiratete und hat drei Töchter.


Sol Lurie

Sol Lurie wurde 1930 als Saje Lurje in Kowno (heute Kaunas) in Litauen geboren. Er ist der jüngste von vier Brüdern, sein Vater betrieb einen Holzhandel in Kowno. Bei dem Überfall deutscher Truppen auf die Sowjetunion im Juni 1941 versuchte seine Familie zunächst zu fliehen, musste aber wenig später nach Kowno zurückkehren und wurde im Juli 1941 gezwungen, in das Ghetto Slobodka zu ziehen. Viele jüdische Bewohner der Stadt wurden in den folgenden Monaten im nahegelegenen Fort IX ermordet. 1943 wurde aus dem Ghetto Slobodka das Konzentrationslager Kauen. Alte Menschen, Kinder und als „nicht arbeitsfähig“ Eingestufte wurden ermordet. Als das Konzentrationslager nach Kindern durchsucht wurde, versteckten sein Vater und seine Brüder Sol und retteten ihm so das
Leben. Im Juli 1944 wurde das Konzentrationslager Kauen aufgelöst; die überlebenden Häftlinge wurden über das Konzentrationslager Stutthof in das Dachauer Außenlager Kauferingen in Landsberg am Lech gebracht. Sols Vater war es bis hierhin gelungen, seine Söhne bei sich zu behalten, nun aber wurde Sol mit anderen Kindern nach Dachau verbracht, um von dort kurz darauf nach Auschwitz verschleppt zu werden. Im Zuge der Räumung des Lagers im Januar 1945, wurde Sol gemeinsam mit tausenden anderen Häftlingen auf einen Todesmarsch getrieben. Am 23. Januar 1945 kam er nach tagelanger Zugfahrt in Buchenwald an. Hier wurde er mit der Haftnummer 119 804 registriert und im Block 66, dem „Kinderblock“ im Kleinen Lager untergebracht.
Nach der Befreiung am 14. April 1945 war er einer jener Jugendlichen, die in einem französischem Kinderheim in Ecouis zur Erholung aufgenommen wurden. Mit Hilfe des Roten Kreuzes konnte Sol Verwandte in den USA ausfindig machen. 1947 emigrierte er nach New York, Tante und Onkel in Brooklyn nahmen ihn auf. Sein Vater und seine Brüder kehrten nach ihrer Befreiung in Dachau nach Litauen zurück; Sol traf sie erst viele Jahre später wieder.
1953 kehrte Sol Lurie als Angehöriger der US Army für kurze Zeit nach Deutschland zurück. In den USA arbeitete er danach viele Jahre als Auslieferer für eine Farbenfabrik, später für eine Keksfabrik.
Er ist verwitwet, zum zweiten Mal heiratet, hat drei Kinder, zwei Stiefkinder und vier Enkelkinder.


Dita Segal

Dita Segal, wurde 1930 als Dita Kürschner in Wien geboren. Hier hatte die Familie eine Schuhfabrik inne. Da ihr Vater die ungarische Staatsbürgerschaft besaß, floh die Familie 1939 nach Ungarn. Hier lebten sie fünf Jahre in Nagykanizsa (Groß-Kanischa). Doch auch hier wurde ein Ghetto errichtet und Ende April 1944 musste die Familie Kürschner in das Ghetto Nagykanizsa ziehen. Bereits im Mai 1944 wurde die Familie nach Auschwitz deportiert. (In Auschwitz adoptierte Ditas Mutter Hedy die fünfzehnjährige Zsuzsana (Zsuzsi) Weber, deren Familie ermordet worden war.) Dita und ihre Mutter wurden Anfang Juli 1944 in das Buchenwalder Außenlager Gelsenberg bei Gelsenkirchen-Horst überstellt. Im Stammlager Buchenwald erfolgte die Registrierung Ditas mit der Haftnummer 12837. Nach einem Luftangriff der Alliierten, wurde das Außenlager Gelsenberg jedoch aufgelöst und Dita und ihre Mutter wurden im September 1944 in das Buchenwalder Außenlager Sömmerda verbracht. Mit Herannahen der Front, trieb die SS alle Lagerinsassinnen auf einen Todesmarsch, darunter auch Dita, ihre Mutter und Zsuzsi. Sie konnten die Strapazen des Todesmarsches überstehen und wurden in Reinholdshain befreit. Ditas Vater Lajos hingegen überlebte nicht. Nach zwei Jahren in mehreren DP-Camps wanderten sie 1948 nach Israel aus und Dita lebte später in Tiberias in Israel.


David Lewin

Dawid Lewin wurde als Dawid Lebenbaum 1925 in Warschau geboren. Er wuchs dort mit drei Geschwistern als Sohn von Nuchem und Chancie (geb. Levin) Lebensbaum auf. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen musste die Familie in das Warschauer Ghetto ziehen. Hier wurden sein Bruder und er von der SS auf der Straße angehalten, verhaftet und anschließend in einem Lastwagen in das KZ Majdanek verschleppt, wo sie das KZ mit aufbauen mussten. 1943 wurden er und sein Bruder in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verbracht. Während Dawid Auschwitz überleben konnte, wurde sein Bruder von der Lager-SS ermordet.  In Anbetracht des Heranrückens der Roten Armee löste die Lager-SS das Konzentrations- und Vernichtungslager auf. Dawid wurde mit einem Räumungstransport in das KZ Buchenwald verbracht, der am 26. Januar 1945 ankam. In Buchenwald erfolgte seine Registrierung mit der Haftnummer 122 526 und er wurde im " Kleinen Lager" in Baracke 58 untergebracht. Am 03.März 1945 wurde er dann tatsächlich noch in das Außenlager "Hecht" bei Holzen transportiert. Im Zuge der Auflösung dieses Außenlagers kam er am 03. April 1945 wieder in das Stammlager Buchenwald zurück, nun in Baracke 57 untergebracht. Dawid erlebte seine Befreiung am 11. April in Buchenwald. Nach seiner Befreiung lebte Dawid Lewin in München und letztlich in Berlin.